
Gute Führung – oder gute Show?
Warum viele Auswahlverfahren scheitern – und was stattdessen hilft
Wie finden wir eigentlich gute Führungskräfte?
Diese Frage begegnet mir in fast jedem Akquisegespräch mit Personalverantwortlichen. Und ja – ich könnte viele Antworten darauf geben. Die gängigste: Wir entwickeln ein Kompetenzmodell, führen Assessment- oder Development-Center durch, beobachten Verhalten und vergeben Punkte. Am Ende entsteht ein Ranking. Klingt objektiv, strukturiert, professionell. Und ist oft dennoch: daneben.
Ich sage manchmal augenzwinkernd: Ich verdiene gern mein Geld – aber ich mache auch gern gute Arbeit. Und beides passt nicht immer zusammen. Assessment-Center (AC) und Development-Center (DC) gelten unter Trainer*innen als Goldgruben. Doch was nutzen sie meinen Auftraggeber*innen wirklich?
Was nützt es, wenn ich jemandem „Führungskompetenz“ attestiere – oder absage?
Woher soll ich als externe Beobachterin wissen, welche Führung in Ihrer Organisation tatsächlich gefragt ist? Welche Norm liegt dem Verfahren zugrunde? Wer bestimmt diese Norm – und ist sie für alle Bereiche Ihrer Verwaltung oder Ihres Unternehmens gültig?
In der Praxis erleben wir:
- Die „gute“ Führungskraft im Jugendamt braucht andere Stärken als die Leitung im Kulturbereich oder in der Kämmerei.
- Die Führungskraft, die bei der Präsentation im AC glänzt, tut das nicht unbedingt später im Konflikt mit einem überlasteten Team.
- Menschen mit ruhiger, analytischer Art – oft sehr erfolgreich in komplexen Organisationen – rauschen durch Gruppenübungen, in denen Extroversion mit Führungsstärke verwechselt wird.
Beispiele aus meiner Praxis:
Ich betreue aktuell eine sehr kompetente Leitungskraft mit einer ausgeprägten Sprachstörung. Fachlich hervorragend, strategisch klar – aber in klassischen Auswahlverfahren, bei spontanen Bühnenauftritten, wird sie nicht „punkten“. Soll sie deshalb keine Verantwortung tragen?
Oder eine erfahrene Bürgeramtsmitarbeiterin, die schwierige Gespräche meisterhaft deeskaliert – und im Assessment durchfällt, weil sie angeblich „zu sehr beim Gegenüber“ sei. Kommunikation: ungenügend. Wessen Maßstab ist das?
Oder der Amtsleiter, der nach einem DC zu mir sagt: „Wenn ich nicht schon ewig Amtsleiter wäre – nach dem Ergebnis dürfte ich es nicht mehr sein.“
Was stattdessen hilft:
Gute Auswahlprozesse starten nicht mit dem Verfahren, sondern mit der organisationalen Selbstklärung:
- Welche Führungsanforderungen gelten in welchem Bereich?
- Welche Haltung zur Führung prägt unsere Kultur?
- Was brauchen wir – und warum?
Und erst dann: passende, kontextbezogene Auswahlverfahren. In meiner Arbeit setze ich u. a. auf:
- Stellenbezogene Anforderungsprofile (nicht: Kompetenzmodelle von der Stange)
- Auswahlinterviews mit Fachvorgesetzten
- Arbeitsproben und realitätsnahe Aufgabenstellungen
- Startcoachings für neu ernannte Führungskräfte
- Führungskräftezirkel und kollegiale Beratung
Führung ist kein Bühnenstück.
Führung ist Beziehungsarbeit, Rollenklärung, Entscheidungsfähigkeit – aber nicht zwingend Rampenlicht. Es braucht keine idealtypischen Eigenschaften, sondern Menschen, die sich einlassen, mitdenken, gestalten wollen. Menschen, die verstanden haben, dass man andere nicht besser führt, als man sich selbst führen kann.
„Ich kann Sie nicht in Ihren Führungskompetenzen stärken, wenn Sie morgens aufstehen und Menschen doof finden.“
Aber wenn Sie – mit Goethe – daran glauben, dass Menschen wachsen können, wenn man sie ernst nimmt: Herzlichen Glückwunsch – Ihnen wird bei mir geholfen.
Neugierig geworden?
Dann werfen Sie gern einen Blick auf mein Angebot zum Online-Coaching für Führungskräfte im Übergang – für alle, die Führungsverantwortung nicht nur übernehmen, sondern wirksam gestalten möchten.

